Die Stadt und ihre Freiräume - Kunsttankstelle an der Obertrave

Blick von der "Professorenbrücke" in Richtung Salzspeicher- hier endet der Uferweg westlich der Trave.
Blick von der "Professorenbrücke" in Richtung Salzspeicher- hier endet der Uferweg westlich der Trave.

In Zeiten von Corona blicken wir vermehrt auf die öffentlichen Räume. Draußen können wir uns bewegen, Abstand halten, frische Luft atmen. Viele Menschen entdecken den öffentlichen Raum neu.

 

Die Lübecker/innen entdecken auch den neuen Drehbrückenplatz - und man mag den Eindruck gewinnen, dass nun auch anders auf die Untertrave geschaut wird: wie schön wäre es, wenn auch das Stück vom Drehbrückenplatz bis zum Holstentor attraktiv gestaltet wäre. Die offenbar fehlenden Schattenplätze wären ja da. Insofern trifft einige der Kritik am Drehbrückenplatz, z.B. fehlenden Schattenplätze, eigentlich rückblickend die traurige Geschichte der Untertravenentwicklung - den Umbau würde man möglicherweis heute anders bewerten.

Am Holstentor offenbaren sich weitere Themen. Über die merkwürdige Ampellösung für Fußgänger/innen hat das ArchitekturForum sich schon geäußert. Die Verknüpfung von Mittlerer Wallhalbinsel über den Holstentorplatz in die Wallanlagen wurde zuletzt in der Publikation "Lübecks grünes Band" diskutiert. Sie ist eines DER großen Zukunftsthemen der Innenstadt (und wird stiefmütterlich behandelt).

 

Unterhalb der Wallanlagen, gegenüber der Obertrave kommt man dann wieder schön, sonnig und schattig ans Wasser. Stadt am Fluss! Welch ein Geschenk, um das uns andere Städte beneiden.

Dass der Fußweg an der Trave flussaufwärts hier durch Investorenprojekte an der Wallstraße unterbrochen ist, ist ein trauriges Relikt früherer Zeiten. Hier hatte die Stadt offenbar wenig Einfluss.

Dass jedoch der Zugang zum Wasser an der Kunsttankstelle nicht öffentlich zugänglich ist, erscheint dagegen unverständlich und unnötig. Hier hat die Stadt Handlungsmöglichkeiten - nutzt sie derzeit aber nicht.

 

"Ein neuer öffentlicher Weg entlang der Obertrave" - so haben die Künstler der Kunsttankstelle das Projekt seit Jahren beworben und tun es noch immer auf ihrer Webseite. Die Realität sieht leider anders aus. 

 

Woran liegt es?

 

2015 wurde die Kunsttankstelle im Rahmen eines ArchitekturSommer-Spazierganges unter dem Motto "Neue Ufer" besucht. Aufbruchsstimmung herrschte, die Sonne schien - die Künstlergemeinschaft begann die Gebäude zu sanieren und zu nutzen.

 

Als wir im Juni 2016 nachfragten, woran es denn läge, dass der Weg am Ufer noch nicht offen sei, antwortete uns Jan Lindenau: "Daran, dass man ihnen immer noch nicht das Grundstück verpachtet hat. Es gehört immer noch der Stadt. Dem Verein kann man hier keinen Vorwurf machen." Die Künstler teilten 2017 mit,"von Seiten der Stadt besteht weiterhin die Absicht, einen Uferweg zwischen der Tankstelle und der Obertrave entlang zu führen.
Auch wir von Defacto fänden das gut."

 

2019 konnte man schließlich der Presse entnehmen, dass der Verein der Kunsttankstelle das Gebäude und Grundstück von der Stadt Lübeck erworben habe. "Die Stadt hat damit ein starkes Signal für eine spannende Ausrichtung der Innenstadtentwicklung zur Entwicklung eines Alleinstellungsmerkmals gesetzt. Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau sprach dann auch das Eröffnungswort zum Fest der Feen, Feuertänzer und Kreativgeister. ..." (facebookseite des Vereins am 22.7.19)

 

Im September 2019 kam auf unsere Nachfrage zum Stand des Weges dann via Facebook-Kommentar erneut eine Aussage des Bürgermeisters: "Läuft. Grundstück und Uferweg werden aktuell vermessen..."

 

Ans Ufer kommt man heute dort jedoch nicht. Zäune und Mauern versperren den Weg. 
Dass der schöne Uferplatz nutzbar ist, zeigen die Veranstaltungen der Künstlergruppe. 

 

Wie geht es dort weiter? Auf aktuelle Anfrage bei Politik und Verwaltung konnte man uns einen Lageplan zur neuen Grundstücksaufteilung nicht zusenden. Die Sache sei in der Bürgerschaft nicht öffentlich behandelt worden. Ob es konkrete Pläne zur Umsetzung des Uferweges gäbe, konnte uns die Verwaltung und auch die Pächter nicht sagen.

Seit nunmehr 5 Jahren ist die Nutzung des Geländes und der Gebäude möglich - der öffentliche Zugang zum Ufer jedoch nicht.

 

Nicht nur in Zeiten der Coronakrise sollte den öffentlichen Räumen besondere Bedeutung zukommen. Der Spaziergang zum ArchitekturSommer 2015 endete übrigens seinerzeit an der Bauverwaltung. Auch dort ist ein Uferweg entlang der Trave noch denkbar. Und auch hier haben Politik und Verwaltung es in der Hand, dafür die Voraussetzungen zu schaffen, da auch hier das Grundstück der Stadt gehört. 

Der Zusammenschluss der öffentlichen Uferwege beiderseits der Trave sollte kurzfristiges Ziel der Innenstadtentwicklung sein. An der Kunsttankstelle sollte man jetzt zügig starten, damit alle Lübecker/innen dort Kunst und Sonne tanken können.

si

 

April 2020