Appell zum Erhalt der Tudorhallen

Appell zum Erhalt der denkmalgeschützten Tudorhallen auf der Roddenkoppel

 

Seit über 20 Jahren befasst sich das ArchitekturForumLübeck mit Lübecks Nordwesten und im Schwerpunkt mit den wichtigen Entwicklungsperspektiven und -potentialen auf der Roddenkoppel. Stets lag der Blick dabei auch auf den hier verorteten historischen Schiffsbauhallen im „Tudor-Stil“ – als Teil unseres industriellen Erbes und als möglicher Impuls- und Identifikationsgeber eines künftigen Quartiers.

Wer allerdings heute einen Blick auf die Roddenkoppel wirft, für den wird sehr deutlich, was sich seit Langem abzeichnete: die Tage der denkmalgeschützten „Tudorhallen“ scheinen endgültig gezählt. Der Prozess des Verfalls, der bereits jahrzehntelang durch stetige Vernachlässigung langsam fortgeschritten ist, scheint jüngst durch aktives Handeln stark beschleunigt worden zu sein. Insbesondere von der Landseite aus sind signifikante Schäden und Verluste von Bausubstanz erkennbar. Das Dach ist vollständig eingestürzt oder abgetragen und vom Mauerwerk und den stilprägenden, markanten Bögen über den Fensteröffnungen ist nur noch wenig erhalten. In Anbetracht dieses Zustandes ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis die übrige Substanz nicht mehr standhält.
Es besteht somit – dringender denn je – Handlungsbedarf!  

Was ist Denkmalschutz wert, wenn er von Eigentümern in dieser Weise konterkariert wird?
Eigentum verpflichtet. Und wer Eigentümer eines Denkmals ist, trägt in besonderer Weise Verantwortung. Denkmale sind gemäß geltendem Recht zu erhalten, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen; grob fahrlässige oder vorsätzliche Beschädigungen verpflichten zum Ersatz des verursachten Schadens. Diese gesetzlichen Vorgaben gilt es entschieden einzufordern und durchzusetzen.

Mit dem Umstand, dass dieses Einfordern und Durchsetzen in den vergangenen Jahrzehnten versäumt oder nicht mit hinreichender Stringenz verfolgt wurde, müssen wir nun umgehen. Eine Rückschau hilft nur bedingt, wechselseitige Vorwürfe keinesfalls. Es gilt den Blick nach vorne zu richten und Handlungsperspektiven zu schaffen. Allerhöchste Priorität muss hierbei nun der Erhalt der noch vorhandenen Bausubstanz haben, um die Tudorhallen vor der unwiederbringlichen Zerstörung zu bewahren. Zur Erreichung dieses Ziels muss der Denkmalpflege politisch der Rücken gestärkt und sie muss ermächtigt werden, alle ihr möglichen Wege und Schritte auszuloten und einzuleiten. Zudem muss es Anspruch der Lübecker Politik sein, die Denkmalpflege durch ausreichende Mittel und Ressourcen in die Lage zu versetzen in höchstmöglichem Maß handlungsfähig und durchsetzungsstark zu sein.

Die Tudorhallen sind akut gefährdet. Dass es jedoch allgemein um Lübecks Industriedenkmale nicht gut bestellt ist, zeigen weitere durch langjährige Vernachlässigung dem Verfall preisgegebene Bauten wie die Gesenkschmiedehalle am Glashüttenweg oder die bereits aus dem Denkmalschutz „entlassene“ und für den Abriss freigegebene Ölmühle in Siems.

Es gilt daher nun ein Zeichen zu setzen, dass uns als Stadtgesellschaft Denkmalschutz etwas wert ist und wir nicht bereit sind eine vorsätzliche Gefährdung dieser Werte hinzunehmen. Denn es droht nichts weniger, als die letzten wertvollen Zeugen unserer Industriekultur zu verlieren. Unwiederbringlich.

Februar 2024