
Das ArchitekturForumLübeck zu Gast in der Kulturhauptstadt 2025
Im Oktober 2025 unternahm das ArchitekturForumLübeck mit einer kleinen Gruppe eine Exkursion in die Kulturhauptstadt Chemnitz. Im Mittelpunkt stand die baukulturelle Entwicklung der Stadt im
Spannungsfeld unterschiedlicher Zeitschichten, die das Stadtbild von Chemnitz geprägt haben und noch bis heute prägen – von der industriellen Blüte des 19. Jahrhunderts bis zu den städtebaulichen
Transformationen der Gegenwart.
Industrialisierung und Stadtwachstum
Am ersten Tag der Exkursion erkundete die Reisegruppe das Industriemuseum und begab sich im Rahmen einer Stadtführung auf die Spuren der rasanten Entwicklung der Industrialisierung. Im 19.
Jahrhundert entwickelte sich Chemnitz zu einem führenden Zentrum der deutschen Industrie. Die Stadt wuchs rasch, neue Wohnquartiere entstanden, und Infrastruktur sowie Fabrikarchitektur prägten
das Stadtgefüge dauerhaft. Diese Epoche bildet bis heute die Grundlage der städtischen Identität und des baukulturellen Erbes.
Reformerische Wohnideen und Gartenstadt Gablenz
siedlung
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand mit der Gartenstadt Gablenz ein Beispiel sozial orientierter Stadtplanung. Wohnqualität, Freiraumgestaltung und Gemeinschaftseinrichtungen verbanden sich
zu einem frühen Modell moderner Siedlungsentwicklung. Die Anlage, die wir "auf eigene Faust" und begleitet von großer fachlicher Expertise aus den Reihen der Gruppe erkundet haben, verdeutlicht,
wie sich gesellschaftliche Reformbestrebungen in der Architektur dieser Zeit niederschlugen.
Nur einige der seinerzeit geschaffenen Bauten stehen unter Denkmalschutz, was sich heute durch teilweise Überformungen der ursprünglichen baukulturellen Qualität durch Modernisierungen
zeigt.
Plattenbau in der Fritz-Heckert-Siedlung
Die Fritz-Heckert-Siedlung, ab den 1970er-Jahren im Südwesten von Chemnitz errichtet, zählt zu den größten Neubaugebieten der DDR. Sie verkörpert die Prinzipien des industriellen Wohnungsbaus:
standardisierte Typen, funktionale Gliederung und eine vollständige städtische Infrastruktur mit Schulen, Versorgungseinrichtungen und Grünräumen.
Im Rahmen eines geführten Rundganges haben wir einige der Baugebiete der Siedlung erkunden und uns sowohl mit ihrer Geschichte als auch mit den Herausforderungen seit der Wende befassen können.
So setzte nach 1990 ein tiefgreifender Wandel ein – Bevölkerungsrückgang, Rückbau und Sanierungen veränderten das Quartier grundlegend. Heute stehen Fragen der Aufwertung, Nutzungsdurchmischung
und denkmalpflegerischen Einordnung im Mittelpunkt der städtebaulichen Entwicklung.
Transformation der Innenstadt nach 1990
Nach der Wiedervereinigung erlebte die im Krieg nahezu vollständig zerstörte und danach im sozialistischen Sinne entwickelte Chemnitzer Innenstadt einen tiefgreifenden strukturellen Wandel. Der Rückgang von Handel und Bevölkerung machte großflächige Eingriffe erforderlich. Wie wir im Rahmen einer eindrücklichen Stadtführung erfahren konnten, wurden zahlreiche Nachkriegsbauten abgerissen, um Platz für neue Wegeführungen, Plätze und Bebauungen zu schaffen. Das historische Straßenraster wurde teilweise wieder aufgenommen und wichtige Raumbezüge – etwa zwischen Markt, Stadthalle und Rotem Turm – wurden städtebaulich neu gefasst.
Darüber hinaus hat sich unsere Gruppe auch unterschiedlichen Facetten der Moderne gewidmet. So waren wir im Marianne Brandt Haus zu Gast und haben uns im smac – dem im ehemaligen Kaufhaus Schocken beheimateten Staatlichen Museum für Archöologie – die Ausstellung über das Haus, seinen Gründer Salman Schocken und seinen Erbauer Erich Mendelsohn angesehen.
Die Exkursion verdeutlichte, wie herausfordernd, aber auch spannend das Zusammenwirken unterschiedlichster baulicher Schichten der Geschichte sein kann. Chemnitz präsentiert sich als Kulturhauptstadt als Stadt im Wandel, die stets mutige Wege zur Transformation gegangen ist und bis heute geht. Der inspirierende Besuch zeigte, dass es sich lohnt auch komplexe städtebauliche Herausforderungen anzugehen – ganz im Sinne des Schriftzuges, der am Bahnhof die Besucher empfängt: Fürchtet Euch nicht.
Vielen Dank an die Reisegruppe für die großartige gemeinsame Organisation, das fachlich fundierte Engagement sowie die vielfältigen gemeinsamen Erlebnisse!